Projekt Tatendrang

Ein Fotoprojekt über das Leben der Oldenburger Geschäftswelt und Künstlerszene in der Corona-Zeit

 

Wurde nicht bereits alles zur Coronakrise gesagt? Nach fast eineinhalb Jahren dürfte sich manch einer diese Frage stellen. So sieht auch André Mittwollen das Projekt seiner Frau, der Fotografin Izabela Mitwollen, zunächst skeptisch: „noch ein Beitrag zur alles überschattenden Coronakrise?“ Ziemlich schnell stellt er aber fest, „dass sich ihr Ansatz wohltuend von den bisherigen Darstellungen der Krise unterscheidet.“

 

Diese Ausstellung und der Bildband sind tatsächlich anders: Wo sonst die Krankheit selbst im Vordergrund steht, portraitiert Izabela Mitwollen vor allem die weniger sichtbaren Auswirkungen auf die Oldenburger Geschäfts-, Gastro- und Kulturlandschaft und rückt die Betroffenen mit ihren Sorgen, Ängsten aber auch Hoffnungen empathisch in den Vordergrund.

 

Einfühlsam fotografiert sie die Oldenburger Kulturschaffenden und Geschäftsleute, die unter den Folgen der Coronakrise leiden und – jeder für sich und trotzdem vereint – versuchen, einen Umgang mit einer Ausnahmesituation zu finden, für die es keinen Vorlauf gab.

 

Die Fotografin versteht ihr Projekt dabei vor allem als Möglichkeit die Krise einzuordnen und „aus anderen Perspektiven zu reflektieren“. Dabei ist ihr Blick auf die Menschen nicht nur der einer Fotografin, sondern der einer ebenfalls Betroffenen. Sie erlebt „die vielen Gespräche“ als „Rettung. Sie haben mir durch die Zeit der quälenden Unsicherheit geholfen, indem sie mir so deutlich wie nie zuvor bewusst machten, dass ich nicht alleine bin […].“ Sie findet Menschen, die wie sie betroffen sind und ihre Ängste und Bedürfnisse mit ihr teilen.

 

Ohne Pathos aber mit viel Mitgefühl portraitiert Izabela Mittwollen das was „Ist“. Zeigt Leben, die nicht stillstehen, sondern weitergehen. Weil es weitergehen muss, aber auch, weil Wege gefunden werden, um mit der quälenden Unsicherheit umzugehen. Die Fotografin ist nicht nur Beobachterin, sondern lässt immer auch ihre eigene Betroffenheit in ihre Arbeiten fließen. Sie legt Zeugnis ab, ohne einfach nur aus der Distanz heraus zu berichten. Sie berichtet, ohne Außen vor zu sein. Sie bringt Menschen zueinander, die sich in ihren Sorgen und Sehnsüchten ähneln und sich auf dieser Ebene begegnen können.

 

Inmitten des Chaos hält Mittwollen Momente großer Intensität fest. Intensiv vor allem, weil die Kulissen, vor denen sie die Menschen fotografiert diejenigen sind, die normalerweise vor Leben strotzen – und jetzt verlassen zurückbleiben. Der Betrachter fühlt sich wie in einem Wartesaal, wartend, dass es irgendwann weitergeht. Nur das wann ist noch nicht klar, ebenso wenig wie das wie. Oder geht es einfach weiter?

 

Die Ausstellung berührt, nicht nur, weil wir viel über das Leben der Oldenburger Geschäftswelt und Künstlerszene erfahren. Sondern auch, weil sich jeder irgendwie wiedererkennt, mit seinen Bedürfnissen und Ängsten. Und sie macht Mut, weil deutlich wird, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte hat wie er die Pandemie erlebt – von Ohnmacht über Hoffnung, Sorge und Trauer oder eben „Tatendrang“.

 

Die Ausstellung „Tatendrang“ ist vom 4. bis 20. Juni in der Kulturhalle am Pferdemarkt zu sehen. Geöffnet ist montags bis Donnerstag zwischen 14 und 18 Uhr, freitags und Samstag 14-20 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr.

 

Begleitend zu der Ausstellung ist im Isensee Verlag der Bildband erschienen, in dem die Fotografien sowie eine umfangreiche textliche Einbettung zu finden sind.

 

Ein Beitrag von Mechthild Oetjen